Schlussplädoyer

So ist der Zeitgeist unserer Ära. Da sitzen alle beisammen und bleiben doch nur jeder für sich. In den guten alten Zeiten war ja alles besser. Da saß man ums Lagerfeuer und röstete Kartoffel. Man ging auf den Spielplatz und wälzte sich im Schlamm. Und am Abend war man müde, denn man hatte vor Leben und Glück nur so gestrotzt. Ah, und heute. Da ist es doch genau so. Man sitzt gemeinsam vor dem flimmernden Schaukasten und reicht die Chips weiter. Wenn man satt ist, zockt man im Internet und am Ende geht man schlafen und ist wieder müde. Dabei hat man sich doch nicht einmal verausgabt. Vielleicht ist es dieses vermeintliche Vakuum, das man füllen muss. Nur mit ein klein wenig Sonnenschein und einer mikroskopischen Brise Frischluft.

Das Freischwimmer-Festival 2011 hat ein wenig Frischluft nach Wien gebracht. Es war kusserfüllt, trotzig, majestätisch, überraschend, kunstblutig, haarig, ambivalent, inszeniert und natürlich. Wie könnte man auch sonst alle gesammelten Eindrücke nur auf ein einziges Adjektiv beschränken? Will man gar nicht. Man sollte sich ab und zu mal an ein Kunstwerk wagen. Dabei nur für den Bruchteil einer Sekunde die grüngefärbten Gläser beiseite lassen. Das Werk selbst betrachten und staunen wie ein kleines Kind. Man scheint dies ja mit der Zeit zu verlernen. Etwas sehen. Sich einlassen und es wirken lassen. Am Ende meint man sogar es gibt kein gut oder schlecht mehr. Verändert man nämlich die Perspektive, dann bleibt meist nur mehr eine Frage offen. Was löst das Gesehene in mir aus? Wie denn jetzt. Ich zahle doch für eine unterhaltsame Show! Werden meine Erwartungen nicht erfüllt, werfe ich mit faulen Eiern und stinkigen Tomaten! Und wie war das gleich mit der Sonne und der Frischluft? Horizonte erweitern sich nicht von selbst. Deshalb: Danke für die Horizonterweiterung liebes Freischwimmer-Festival. Danke für die köstlichen Mikrowellen Makaroni mit Käse und danke für die wundersamen Vorstellungen. Möge deine Reise dich sicher nach Düsseldorf und Zürich führen, wo du vieler vieler anderer Menschen Horizonte erweitern kannst.

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