Barbara Ungepflegt

 

Von Anfang bis Ende des Freischwimmer Festivals ziert den Vorplatz des Brut ein seltsames Holzhäuschen. Aha. Es ragt meterhoch über den Köpfen der Passanten und erinnert ein bisschen an eine Jagdhütte. Kopf einziehen. Ein Neonreklamchen ziert das Dach. „Notstand“ ist da zu lesen. Eine junge Frau im Trachtenlook spielt abwechselnd Tuba und singt Kirchenlieder ins Megaphon. Interessant.

 

 

Eine schöne Offenbarung


Die patrouillierende Frau am Notstand ist Barbara Ungepflegt alias Barbara Kremser. Die Wienerin hält bei dieser Installation die Stellung und leitet durch die Performances. Alles kostenlos und jeden Tag was neues ist ihr Motto. Was verbirgt sich denn da oben eigentlich? Um hochzuklettern, darf man sich erst mal einen Sicherheitsgurt anschnallen und einen Vertrag unterschreiben. Mist. Wieso zieht man sich immer dann ein Kleid an, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann? Was soll’s, man offenbart einen schönen Hintern und macht Publicity für den guten Zweck. Außerdem ist ein nacktes Hinterteil ein Grund mehr in den Notstand zu flüchten.

 

Das Rebhuhn-Lebkuchenparadies


Höhenangst ist nicht empfehlenswert. Doch hat man erstmal die Hütte erklommen, entdeckt man ein heimeliges Kuriositätenkabinett. Hier findet man lauter Klimbim. Lebkuchenherzen wohin das Auge reicht. Das Herz mit Zuckerglasur-Aufschrift “Essen” ist schon halb weg. Da scheint aber jemand strategisch geknabbert zu haben. Ein Plastikrebhuhn ist notdürftig ins Eck geklemmt. Man spricht durch ein Bechertelefon und lauscht. Stille auf der anderen Leitung. Aber eigentlich ist das ja eine Jagdhütte. Dann späht man aus dem kleinen Fenster und hat freie Sicht auf die Karlskirche. Jetzt könnte man theoretisch ja was erlegen. Freiwild. Aber man bleibt harmlos in seinem Vogelhäuschen und zieht an den Not(h)eiligen. Gerade als man sich umdreht und sich wieder auf die Holzleiter schwingen will, tönt aus einem Fernseher eine gute Nacht Melodie. Wie schön! Man ist entzückt. Im Bild sieht man Barbara Ungepflegt, auf einer Bank liegend und sich mit Zeitungen zudeckend.

 

Raus aus dem Alltag, rein in den NOTSTAND!


Auf dem Weg bergab dreht sich’s im Kopf. Da oben auf diesen eineinhalb Quadratmetern, mengen sich die ungewöhnlichsten Dinge. Da oben herrscht eine ganz andere Welt. Da oben, hoch über dem Zement befindet sich ein kleiner Zufluchtsort an dem man frei atmen kann. Frischluft. Dann steht man schon wieder unten, am Boden der Realität. Bitte nicht so traurig, bis Samstag hat man ja Zeit. Also raus aus dem Alltag und rein in den NOTSTAND!

 

 

 

(c) gehen wieder an mich

 

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